Kooperation mit Lechnerwirt als Initialzündung


Vor der Messe 2022 und der spontanen Unterstützung des Lechnerwirts war 23/7 zwar bereits eine konkrete Idee, ohne sie wäre diese Idee aber sicher nicht so schnell konkret geworden und gewachsen. Und das stand so nun wirklich nicht in den Sternen. Ein persönlicher Rückblick – inklusive Appell für die Messe 2023 und den generellen Umgang mit neuen Herzensprojekten.

Irgendwie sind es immer wieder diese Themen, denen man sich nicht entziehen kann, die mich noch etwas mehr in ihren Bann ziehen als andere Herausforderungen. Diese Lust, sich ins Auge des Orkans zu stürzen, die begleitet mich durch meine beruflichen Stationen – jedenfalls durch die, die ich als besonders lehrreich empfunden habe oder empfinde. Klingt komisch? Naja, nur die offensichtlichsten in der Liste: Ein Fußballverein, der pünktlich zur Eröffnung eines von der Stadt finanzierten neuen Stadions absteigt, ein Klinikum im Wandel in der Corona-Hochphase und aktuell ein Unternehmen, das das Thema Digitalisierung in Deutschlands Verwaltungen anpackt. So ein wenig Extraspannung in der Luft ist da schon irgendwie die Konstante.

Mir kommt da unweigerlich der Begriff „Scheißhausfliegenmentalität“ in den Kopf, den mit Heiko Herrlich ein Trainer während meiner Jahn Zeit geprägt hatte. Galt zwar bei ihm für die Spielweise der Mannschaft, habe ich aber wohl auch verinnerlicht, denn Shitstorms scheinen mich anzuziehen. Insofern wird die nachfolgende Geschichte vielleicht auch gar nicht mehr so sehr verwundern.

Warum immer alles zerreden?

Vorweg: Dass die Michaelismesse für meine berufliche Laufbahn einmal eine bedeutende Rolle spielen würde, entbehrt tatsächlich abgesehen von geographischen Aspekten jeder Logik. Ich bin kein Kind der Messe, nie ein regelmäßiger Messegänger geworden und werde es in diesem Leben wohl auch nicht mehr. Die Stelle, die bei Menschen aus dem Raum Miltenberg für sentimentale Messeerinnerungen reserviert ist, ist in meinem Fall also relativ kahl. Für besondere Erinnerungen an die Messe muss ich sehr weit zurückgehen. Dann hab ich Oma und Opa vor Augen, die eine Karusselfahrt nach der anderen sponsern, absolut überdimensionierte Popcorntüten für uns kaufen, dann aber um 10 Pfennig Nachlass auf Socken beim billigen Jakob feilschen. Später im Festzelt sorgten die äußeren Umstände bei mir meist in Rekordtempo für Kopf- und Bauchschmerzen, sodass man mich eher auf der Mauer über dem Zelt finden konnte.

Wie kams dann zum Engagement bei der Messe 2022? Naja, danach sah es erst einmal weiter nicht aus. Mit hochschwangerer Frau war der Zeltaufbau im Juli und August zwar tatsächlich ein wiederkehrendes Bild – aber besonderes Interesse? Fehlanzeige. Gefühlte Haltung dazu: „Brauchts das wirklich? Für Miltenberg?“ Dürfte dem oder der ein oder anderen bekannt sein. Einfach nicht hinzugehen wäre also der über Jahre erprobte Normalfall gewesen. Bis, ja bis das erste Messewochenende mich dann doch in den Bann zog.

Und plötzlich doch mittendrin statt nur dabei

Der erste Messeabend ging auch als Miltenberger noch recht unbemerkt an mir vorüber und den zweiten erlebte ich auf einer Geburtstagsfeier. Ein Thema der Party, wenigstens kurzzeitig: natürlich die Messe und das neue Zelt. „Die Preise sind eine Frechheit.“ „Man hört ja Horrorgeschichten übers Personal: Unfreundlich, grob. Wartest ewig auf deine Maß.“ „Hab von vielen gehört, dass sie da sicher nicht mehr hingehen“ Und so weiter und sofort. Ich könnte ja behaupten, dass ich ganz investigativ nachgefragt oder darum gebeten hätte, hab ich in dem Moment aber nicht, im Gegenteil. „Mich juckts eh nicht, geht halt nicht hin“ dürfte so in etwa die wiederkehrende Antwort gewesen sein.

Das änderte sich dann ein Stück weit auf unserem Nachhauseweg nach Miltenberg. Das Bild auf den Straßen: Sehr gut gelaunte bis leidlich gehfähige junge und auch etwas ältere Menschen in Massen. Relativ nahe unserem Haus ein Mann in billiger Tracht, vornüber gelehnt auf der Motorhaube eines parkenden Autos schlafend. „So schlecht kanns dort wohl doch nicht sein“, murmelte ich schon halb im Schlaf vor mich hin.

Das hätte dann auch schon der Schlusspunkt auf meine Messeerfahrung 2022 sein können, war es aber nicht. Denn nach einem morgendlichen Telefonat mit meinem kleinen Bruder, weitaus messeaffiner und -erfahrener als ich, war mein Interesse dann doch geweckt. Die Szenen, die er von vor Ort beschrieb und die Art und Weise wie er es tat, erinnerten mich total an das, was ich 2015 rund um die Eröffnung des Jahnstadions in Regensburg erlebt hatte: Eine tolle neue Infrastruktur, in der sich aber erst einmal Abläufe etablieren müssen, bis es wirklich so viel besser läuft, wie es alle von so einem neuen Tempel erwarten. Blöd nur, wenn das Lernen vor den prüfenden Augen hochemotionalisierter – und vermutlich häufig auch bereits hinreichend in flüssiger Form verköstigter – Besucher stattfindet, die die entsprechende Erwartungshaltung mitbringen.

Jetzt hatten die Messe und der neue Festwirt dann doch meine volle Aufmerksamkeit. Also begann ich wie in solchen Fällen immer meine Berufskrankheit in vollen Zügen auszuleben. Ran an den Rechner und anekdotische Berichte mit Objektivierbarem abgleichen. Und zack war ich mitten im wütenden Mob auf Social Media und Google. Krass, zu welchen „Reaktionen“ ein nicht ganz so ideal verlaufener Abend bei vielen führen kann. Und: zwischen all den Beschimpfungen auch ganz viel Schadenfreude, Neid und Vorwürfe, für die ich dann nun wirklich wenig berechtigte Ansatzpunkte recherchieren konnte. Und ja, genau das kam mir dann schnell wieder bekannt vor, nur dass in dem Fall nicht der Verein, sondern eben der Wirt „everybody‘s Depp“ und Zielscheibe war.

Für mich erschien anhand der fehlenden Reaktion zudem offensichtlich, dass der Lechnerwirt auf diese Eskalation nicht vorbereitet war. Wie auch? Also schrieb ich ihn noch am Sonntagmittag kurzerhand über das Kontaktformular auf seiner Website an. Grob zusammengefasst: „Ich meine genau das schon erlebt und zumindest Ideen für diese Situation zu haben – und als momentan arbeitsloser Bald-Papa habe ich theoretisch viel Zeit zu helfen. Würde mich sehr reizen und verdienen darf ich aktuell übrigens eh nichts.“ Lebenslauf und Links zu Referenzen angehängt. Fertig.

Meine bisherige Erfahrung mit Kontaktformularen ist so semi und ganz ehrlich: Dass zwischen all dem Hass, der auch direkt im Postfach einging, meine Nachricht haften bleiben würde, habe ich eigentlich nicht erwartet. Und dann auf dem Weg zu einem Abendessen mit der Familie klingelt das Handy. Am anderen Ende der Leitung: Lechnerwirt Mathias Hofmann. Kurzes, aber wirklich nettes und verbindliches Gespräch, Terminvereinbarung für Montagnachmittag.

Zurück im Auge des Orkans

Und was soll ich sagen? Die nachfolgenden Tage waren wirklich in einem Wort zusammengefasst verrückt. Ab dem Termin am Montagmittag ging ich jeden Tag zu meinem neuen ehrenamtlichen Job. Bis zum Wochenende nach der Messe, denn da fand das Messekonzert sowie der Kabarettabend beim Lechnerwirt statt. Ein wirklich harter Job. Und auch wenn ich „nur“ Volunteer war, habe ich die Verantwortung als nicht geringer empfunden als als bezahlter Pressesprecher in anderen Jobs. Und ich wurde ehrlicherweise teilweise mit mehr Verantwortung und Vertrauen ausgestattet, als es in diesen nach deutlich längerer Zeit der Fall war.

Bester Beleg dafür: Etwas mehr als 24 Stunden nach meiner Ankunft beim Lechnerwirt drückte ich selbst den roten Knopf, um diesen von mir formulierten Post abzuschicken.

Wer in diesem Bereich schon einmal gearbeitet hat, der kann erahnen wie außergewöhnlich dieser Verlauf war. Wir mussten vor allem viele Aspekte einer Kennenlernphase zwischen Kunde und Dienstleister überspringen oder wenigstens stark abkürzen. Umso höher ist meiner Meinung nach das Ergebnis der Zusammenarbeit einzuschätzen, das vom Umfeld fast durchweg positiv aufgenommen wurde.

Übrigens: Viele von Euch, im Raum Miltenberg wahrscheinlich sogar nahezu alle, dürften den Post damals gelesen oder zumindest gesehen haben. Die wenigsten wissen aber, dass er aus meiner Feder stammte, was wiederum ein großes Kompliment ist, denn genau das war wie in jeder Zusammenarbeit das Ziel: Einen Ton treffen, der authentisch das rüberbringt, was der Kunde fühlt und als Botschaft aussenden will – inklusive seiner Art zu kommunizieren. Und gleichzeitig ein Ton, der auch die Bedürfnisse der Zielgruppe ernst nimmt und bedient. Wahrscheinlich die schwerste Aufgabe in diesem Fall, nicht nur in der Kürze der Zeit. In einen Fußballfan oder eine von Corona betroffene Person konnte ich mich aus nachvollziehbaren Gründen stets leicht hineinversetzen, im Fall eines gefrusteten Messebesuchers war das erheblich schwieriger.

Was dabei hilft? Genau lesen und auch zuhören und alle Informationen schnell sortieren. Der Moment, in dem man einen wichtigen Post absetzt bleibt aber so oder so immer extrem spannend. Denn auch wenn man sich seiner Sache sicher ist, was ich auch hier war, man weiß nie, was die Welt da draußen daraus macht. Eine leichtfertige Formulierung, eine unbeabsichtigte Provokation – und ein eigentlich guter Post wird schnell zum Boomerang. Einer, der in der dieser Konstellation dann nur sehr schwierig zu parieren gewesen wäre. Ja, uns allen war das Risiko bewusst: dieser Schuss musste sitzen, wenn wir die Stimmung noch positiv beeinflussen wollten.

Glücklicherweise gelang das. Vor allem, weil Festwirt Mathias Hofmann, seine Familie, viele Freunde und das komplette Team tatsächlich aller Enttäuschung zum Trotz anpackten und das einzig mögliche in der Situation taten: ihr Allerbestes. Bis heute bin ich schwer beeindruckt davon, mit welcher Haltung und welchem Zusammenhalt das Lechnerwirt-Team in diesen Tagen unterwegs war. Umso mehr, wenn man weiß, dass manche echte Anstrengungen auf sich nahmen, um überhaupt als Servicekraft mit anzupacken. Gastrokräfte waren und sind ja rar gesät und daher nahezu alle Betriebe unterbesetzt. Da traf ich also unter anderem auf Müllmann Paddy, der sich – einfach aus Interesse und natürlich auch um etwas dazuzuverdienen – Urlaub genommen hatte, um zu bedienen und der sich dann von Angetrunkenen beschimpfen lassen musste? Er gehörte zu den vielen Menschen, für die es in diesen Tagen sicher leichter gewesen wäre zu sagen: „Wisst Ihr was, mir reichts.“ Haben sie aber nicht gemacht, jedenfalls in den allermeisten Fällen nicht. Aus Identifikation miteinander, aus Dankbarkeit und Verbundenheit mit dem Arbeitgeber (beeindruckend und wirklich vielsagend, dass das so schnell gewachsen war) und aus dem Antrieb, die Messe doch zu einem schönen Erlebnis für möglichst viele Menschen zu machen.

All das habe ich übrigens auch sehr schnell in mir gespürt und daraus viel Energie gezogen. Die war auch in meinem Bereich nötig, um nach dem Troubleshooting der Tage, das vor allem aus dem Teilen der notwendigsten Informationen und dem Reagieren auf aktuelle Kommentare und Fragen bestand, noch einen Schritt mehr zu gehen und neue Ideen zu entwickeln. Zum Beispiel die, die Menschen, die in der ersten Reihe standen und den größten Druck auszuhalten hatten, ihre Geschichten erzählen zu lassen. Ungeschminkt, in Social-Media-untypisch ungeschnittenen Videos. Klare Botschaft: Echte, sympathische Menschen, die authentisch Einblicke gewähren.

To be continued?

All diese Menschen sind ein Grund dafür, dass ich mir wünsche, dass die Messe 2023 ein noch größerer Erfolg wird als es die Messe 2022 nach Jahren von Corona dann irgendwie doch war. Verdient hätte es die Festwirtsfamilie inklusive aller Mitstreiter definitiv. Denn ich habe mit eigenen Augen gesehen wie viel Leidenschaft, wie viel Arbeit und wie viel Aufopferung vor während und nach diesen zehn Tagen im Spätsommer notwendig sind, um dieses Projekt zu stemmen.

Daher mein Appell: Bleibt fair und menschlich. Setzt doch einfach mal voraus, dass die Person, mit der Ihr zu tun habt, ihr Bestes tut. Ich weiß, dass das beim Lechnerwirt und seinem Team in den meisten Fällen stimmen wird, auch wenn das trotzdem nicht immer dazu führen wird, dass Ihr sofort das bekommt, was Ihr Euch gerade wünscht. Und auch wenn ich nach einigen kleinen Projekten im Herbst mittlerweile nicht mehr für den Lechnerwirt arbeite, weiß ich, wie viel Überlegung in den Optimierungen für 2023 steckt. Sicher wird wieder nicht alles funktionieren, weil es das bei derartigen Events aber auch kaum kann. Es würde mich aber wundern, wenn die Messe 2023 nicht einigermaßen reibungslos verlaufen würde. Immerhin war das auch 2022 bereits nach einigen Tagen der Fall.

Ob mich die Messe übrigens irgendwann wieder als Arbeitsumfeld reizen würde? Hätte ich selbst nicht geglaubt, aber auf jeden Fall. Ideen liegen teilweise in der Schublade, Optimierungspotenzial für die Kommunikation – und zwar vor allem jenseits des Festzeltbetriebs beim Lechnerwirt – gibt es aus meiner Sicht auf jeden Fall. Und wer weiß, wie das Leben noch spielt und wann mich die Messe vielleicht wieder ganz unversehens ins Auge des Orkans zieht…

Was die Geschichte nun mit 23/7 zu tun hat. Extrem viel: Nicht nur weil ich bereits währenddessen erstmals mit Layouterin Sabine telefonierte, um Ideen für das spätere Logo zu besprechen. Letztlich waren es vor allem die vielen guten Gespräche mit wirklich coolen Menschen an der großen Tafel im „Pali“, die mich nachhaltig darin bestärkten, 23/7 mit Nachdruck anzugehen. Menschen, die ich kurz vorher noch gar nicht kannte und mit denen ich dann so eng, vertrauensvoll und erfolgreich arbeiten durfte, um das Leben in unserer Region etwas besser zu machen. Irgendwie die Essenz des 23/7-Prinzips – und letztenendes die Initialzündung für mein eigenes verrücktes Herzensprojekt.

Einen etwas nüchterneren Überblick zur Zusammenarbeit mit dem Lechnerwirt während der Messe 2023 lest Ihr in der entsprechenden Referenz hier: https://237.de/referenzen/lechnerwirt/.